Sie sind hier: Startseite » Ergotherapie » Neurologie » Das Affolter-Konzept Das Affolter-Konzept Die Affolter-Methodik ist ein praktisch anwendbares neurophysiologisches Konzept zur Verbesserung von Wahrnehmungsstörungen nach Schädigungen des zentralen Nervensystems. Durch das „therapeutische Führen“ ermöglichen wir unseren Patienten bzw. Klienten alltägliche Handlungen durchzuführen und zu diese zu spüren, indem der Körper des Betroffenen in alltäglichen Bewegungen vom Therapeuten geführt wird. Das Konzept richtet sich an Kinder und Erwachsene mit einer angeborenen oder erworbenen Schädigung des Zentralen Nervensystems und dadurch entstandenen Störungen der eigenen Körperwahrnehmung. Es kommt zum Verlust des Gefühls zum eigenen Körper und dessen Bezug zur Umwelt. Dadurch können Betroffene einige Handlungsabläufe nicht mehr durchführen und leiden unter (teilweise erheblichen) Einschränkungen im Alltag. Gemeinsam mit unseren Klienten wählen wir individuelle, für sie wichtige Handlungen für ihren Alltag aus (bspw. Zubereitung von Mahlzeiten, Körperpflege, etc.). Während der Bewegung führen wir dabei gezielt den Körper des Betroffenen. Um den größtmöglichen Therapieerfolg zu erzielen, arbeiten wir eng mit deren Angehörigen zusammen, die Übungen erlernen und später selbst fortsetzen und fortentwickeln können. Erläuterung anhand des Beispiels „Brötchen zubereiten“ Der Klient sitzt auf einem Hocker am Küchentisch und hält das Brötchen und das Messer in der Hand. Der Therapeut sitzt direkt hinter ihm auf einem Stuhl und umfasst beide Hände. Gemeinsam (mit geführten Bewegungen) wird das Brötchen aufgeschnitten und mit einem Aufstrich zubereitet. Durch die Führung des Therapeuten (bzw. später des vertrauten Angehörigen) hat der Betroffene ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit beim Spüren und Handeln, was in vielen Fällen den Erfolg erheblich fördern kann. Zielsetzung des Affolter-Konzepts Das Ziel ist die Förderung motorischer, kognitiver und emotionaler Prozesse, um dem Klienten seinen Bezug zur Umwelt zu verdeutlichen, durch Erfahrung selbst spüren und erfahren bzw. wiedererlangen zu lassen. Somit kann jeweils abhängig vom Ausmaß und der Art der Einschränkung die selbstständige Bewältigung des Alltags gefördert und verbessert werden. Durch Organisation bzw. Reorganisation des zentralen Nervensystems und die Verbesserung der Wahrnehmung im visuellen, akustischen, motorischen und kognitiven Bereich kann mit der Affolter-Methode das selbstständige Handeln und die Situationsinterpretation der Betroffenen erheblich gefördert werden. Ablauf der Therapie Beim Affolter-Modell, das nur von speziell ausgebildeten Therapeuten angewendet werden darf, existiert aufgrund der vielfältigen Arten von Einschränkungen kein generelles oder einheitliches Trainingsprogramm. Dieses muss individuell den Bedürfnissen der Betroffenen angepasst werden. Bei den Techniken des Führens unterscheidet man das pflegerische, einfache bzw. elementare und das intermittierende Führen. Der Therapeut ist mit den unterschiedlichen Methoden vertraut und setzt diese gezielt ein. Der konkrete Therapieablauf orientiert sich stark am Alltag der Betroffenen und findet daher – wenn möglich – zu Hause in der vertrauten Umgebung statt. Die bekannte Umgebung erleichtert das Trainieren und der Betroffene kann von neuem aufzubauendes Vertrauen ganz auf seine Bewegungen und den Therapeuten konzentrieren. Er wird nicht von einer neuen Umgebung abgelenkt, beunruhigt oder beeinträchtigt. Unter diesen Bedingungen ist es am besten möglich, die für den Alltag relevanten Handlungen (z.B. Waschen, Anziehen, Bügeln, Blumen gießen etc.) zu üben. Der Betroffene soll Interaktionserfahrungen machen und bei der Informationssuche unterstützt werden. Diese Suche umfasst sowohl Fragen nach dem „wo bin ich?“ / „wo ist meine Umwelt?“ als auch Fragen zum Ablauf „was geschieht?“ Sobald ein Lernprozess im Verhalten der Betroffenen erkennbar wird, reduziert der Therapeut in bestimmtem Maß die Führung, setzt diese bei ausreichendem Vertrauen des Klienten aus und greift erst bei (bzw. rechtzeitig vor) neu auftretenden Problemen wieder ein. Wichtig ist dabei, durch gute Ausbildung und Erfahrung das genaue Maß der benötigten Unterstützung richtig zu beurteilen, denn zu viel Führung verzögert oder behindert das Erlernen, Misserfolge reduzieren die Motivation des Betroffenen. Eine entscheidende Rolle beim Affolter-Modell spielen im Verlauf der Therapie die Angehörigen, da diese den gemeinsamen Alltag am intensivsten erleben. Die Familie wird deshalb geschult und in das Training einbezogen, um es so aktiv mitgestalten und später weiterführen zu können. Dabei lassen sich die Arten der Unterstützungen leicht vermitteln, viel schwieriger und wichtiger ist jedoch das richtige Maß der Unterstützung, sowie die Vermeidung von Misserfolgen und Motivationsverlust des Klienten zu erlernen. Entstehung Das Affolter-Modell wird auch „St. Galler-Modell“ oder „Geführte Interaktionstherapie“ genannt. Es ist 1978 von der Psychologin und Therapeutin Dr. phil. Felicie Affolter entwickelt und wissenschaftlich weiterentwickelt worden. Es gilt heute als eine sehr bewährte und aussichtsreiche Therapieform.